Freitag, November 24, 2006

1000 Volt(en) und das Licht der Erleuchtung brennt trotzdem nicht

Die Befreiung des Irak hat gerade dieser Tage wieder eine extrem schlechte Presse. Diese Erkenntnis ist zwar nicht ganz neu - schließlich war das ja nie anders - aber wer die Argumente der Saddamfreunde und Bushbasher über einen längeren Zeitraum verfolgt, wird zweifelsohne feststellen, daß dort eine gewisse Entwicklung zu beobachten ist, die angesichts der in der Geschichte der Politik wohl konkurrenzlosen Inkonsistenz als atemberaubende Mischung aus Saltos, Kehrtwenden und sonstigen beeindruckenden akrobatischen Kunststückchen nur ausgesprochen unzureichend beschrieben ist.

Wer also von den Befürwortern der Befreiung des Irak unter dem Druck von Öffentlichkeit und Freundeskreis zu grübeln beginnt, ob der Sturz des Schlächters von Baghdad nicht vielleicht doch ein Fehler gewesen sein könnte, sollte alleine schon daran, wie sehr sich die Kriegsgegner untereinander widersprechen und sich dabei en passant so ungewollt wie effizient gegenseitig ihre Argumentationsketten auseinandernehmen, erkennen, daß er so falsch gar nicht gelegen haben kann. Selten jedenfalls hat sich jemand so schön widerlegt wie die Gegner des Irakkriegs das gegenseitig getan haben.

1. Prinzipielle Argumente

Da gab es beispielsweise die bereits seit den 80er-Jahren kampferprobten Friedensfreunde der "Kein Krieg, nirgends! (außer in El Salvador)"-Fraktion, deren zumeist gesinnungspazifistische Herangehensweise durch die militärischen Abenteuer des von ihnen als schützenswert erachteten irakischen Diktators, aber auch die Beteiligung von Rechtsextremisten an den "Kein Blut für Öl!"-Mahnwachen schon 1991 ad absurdum geführt worden und die ein paar hunderttausend Tote später nicht richtiger geworden war.

Glücklicherweise nur auf relativ begrenzte Resonanz traf die gruselige Sichtweise, daß es sich bei Saddam um einen heldenhaften Kämpfer gegen Zionismus, US-Imperialismus und Globalisierung handelte, der zwar zugegeben etwas ruppige Herrschaftsmethoden hatte, aber doch ein verdienstvoller Führer der III. Welt im antikoloniialistischen Befreiungskampf war. Inzwischen verlor diese Sichtweise aber vollends an Bedeutung und zog sich in die Kommentarspalten nationalbolschewistischer Propagandapostillen zurück.

Zeitweise und gerade bei liberalen Geistern sehr beliebt war hingegen die Ablehnung des Sturzes Saddam Husseins aufgrund von formalen völkerrechtlichten Bedenken. Dummerweise wurde hier verdrängt, daß es kein verbrieftes Recht eines Tyrannen auf das Massakrieren der eigenen Bevölkerung gibt und dieser sich selber im Zweifelsfall einen Dreck um Unterschriften auf irgendeinem Stück Papier scheren würde, weswegen es auch um diese Begründung zeitweise erstaunlich still geworden war.

Nicht zu vergessen ist ferner der kulturrelativistische (man könnte auch sagen rassistische) Ansatz, nachdem es zum guten Recht eines Diktators gehört, seine Untertanen zu kujonieren, solange er sich bei der Wahl seiner Opfer auf solche seiner Hautfarbe/Religion/Sprache und/oder Kultur beschränkt, wobei unangenehme Fragen, inwieweit das Werfen von Menschen in hochmoderne Plastikshredder oder ihre Ermordung durch Giftgas und Genickschüsse irgendetwas mit einer organisch gewachsenen autochthonen Kultur - oder Kultur überhaupt - zu tun hat, sicherheitshalber ausgespart blieben.

2. Praktische Argumente

Da aber dieses grundsätzliche Bestreiten der Legitimation des Sturzes Saddam Husseins nur begrenzt tauglich war, versuchten es die Kriegsgegner dann zunehmend mit weniger prizipiellen als praktischen Argumenten. Favorit war hier zunächst die Warnung vor einem Flächenbrand im Nahen Osten. Nachdem der einzige Flächenbrand in der Region aber die ersten zaghaften Schritte in Richtung Demokratisierung waren, die Metzeleien sich aber bis heute wie gehabt im wesentlichen auf den Irak konzentrieren, wird auch dieses Thema inzwischen weiträumig umgangen.

Ähnlich verhielt es sich mit den Warnungen vor den humanitären Folgen eines Einmarschs im Irak. Da war von hunderttausenden von Toten und riesigen Flüchtlingslagern die Rede, doch seit bei den ersten Wahlen im Irak klar wurde, daß die fürs Elend bereits fest verplanten Millionen von Menschen lieber zur Wahl gehen statt hysterische Voraussagen der westlichen Intelligenzija zu erfüllen, hält Wolfgang Thierse lieber den Mund und äußerst sich nur noch zu Dingen, von denen er mehr oder besser gesagt nicht ganz so wenig versteht.

Nur einen kurzen Frühling erlebten die Warnungen vor den militärischen Risiken eines Einmarschs im Irak. Es gab zwar das volle Programm aus der Kassandraschachtel, also alles von den fanatisch kämpfenden "Republikanischen Garden" über den Häuserkampf im uneinnehmbaren Baghdad und dem Beschuß durch versteckte irakische Raketen bis hin zum Einsatz chemischer Waffen (da vergaß auch der Kriegsgegner in der Hitze des Gefechts gerne mal, daß Saddam die der eigenen Theorie zur Folge ja angeblich gar nicht hatte).

Nachdem sich all das aber beharrlich weigerte einzutreten, wurde verzweifelt zu jedem noch so lächerlichen Strohhalm gegriffen, um die Niederlage der Amerikaner wenigstens herbeizuschreiben, wenn sie schon nicht in der Realität eintreten mochte. Ob ein zerstörter US-Tanklastzug im Hinterland oder ein abgeschossener Kampfhubschrauber - das Ende schien immer nur eine Frage der Zeit zu sein, bis in den nächsten Nachrichten herauskam, daß die Koalitionsstreitkräfte wieder eine weitere Stadt fast kampflos eingenommen hatten.

Die Verlautbarungen der Presse unterschieden sich wenige Tage nach Kriegsbeginn oft nur noch in der für westliche Ohren etwas verdaulicheren Ausdrucksweise von denen des irakischen Informationsministers. Höhepunkt war der legendäre Sandsturm, der zwar in seiner eigenen Staubwolke wirkungslos verpuffte, aber der schreibenden Zunft zeitweise Anlaß genug war, eine dräuende Katastrophe zu wittern. Nachdem die GIs kurz darauf in Baghdad Saddam-Statuen stürzten statt sich vor den Toren der Stadt wie erhofft schlachten zu lassen, nahm das Gros der "Experten" eine Auszeit und von weiteren militärischen Analysen vorerst lieber Abstand.

3. Militante Argumente

Wer jetzt aber dachte, die permanente Widerlegung der eigenen Position durch die Realität würde die Kriegsgegner wenigstens mal zum vorübergehenden Reflektieren bewegen können, wurde bitter enttäuscht. Nicht einmal die Demontage ganzer Ideengebäude durch die eigenen Leute scheint auch nur im mindesten demotivierend auf sie zu wirken. Im Gegenteil, es scheint einfach nur ihre Phantasie anzuregen. Irgendwann muß dann ein besonders einfallsreicher Kopf unter ihnen auf die skurrilste Begründung gekommen sein, die man sich für die Ablehnung eines Krieges denken kann: Daß sie die Kriegführung gegen andere Länder behindert.

In der persischen Variante dieser Argumentation sind alle ganz furchtbar betroffen von diesem ungehobelten Achmadinedschad, und ja, er ist tatsächlich doch ein klitzekleines bißchen gefährlich, wenn auch natürlich bei weitem nicht so sehr wie George W. Bush oder Ehud Olmert. Bei dieser Spielart der Kriegsgegnerschaft würden sich alle tief in ihrem kleinen Pazifistenherz ja ganz doll wünschen, daß die Amis dem Achmadinedschad den Stecker rausziehen, aber der blöde Dumbya hat schuld, daß seine dazu benötigten Truppen gerade im Irak festsitzen.

Wer jetzt einwendet, daß das irgendwie nicht so richtig glaubwürdig rüberkommt, wenn ein Diktatorenversteher, Kriegsgegner und Amerikahasser plötzlich den Warmonger in Sachen Iran gibt, wird staunen ob der Phantasie der Friedensbewegung des Jahres 2006. Denn da gab es tatsächlich noch die nordkoreanische Variante, nach der vom Kassenbrillenmodel Kim Jong Il die wahre Gefahr ausgeht. Und auch da hat's wieder jemand verbockt, den wir alle gut kennen. Es handelt sich natürlich um - Überraschung! - den doofen Dabbelju, der schließlich nicht auf die Appeasementjunkies hätte hören müssen.

Dabei würden unsere Friedensfreunde doch alle so gerne den amerikanischen GIs zujubeln, wenn nur deren Oberbefehlshaber nicht gerade George W. Bush hieße. Hätte damals hingegen der Bildungsbeauftragte der Nation, John F. Kerry, die Wahl gewonnen, dann, ja dann, hätte das alles seine Richtigkeit, und die Kriegsgegner stünden wie ein Mann, in der Hand ihre Flagge (weißer Totenkopf auf weißem Grund), hinter der siegreichen Truppe, ganz gleich ob ihr demokratischer Hoffnungsträger zuerst am Persischen Golf oder im Chinesischen Meer losgeschlägt. Hauptsache Action!

4. Zynische Argumente

Wer nun glaubt, damit wäre der Höhepunkt des argumentativen Irrsinns der Kriegsgegner erreicht, irrt allerdings gewaltig. Denn als nach den US-Kongreßwahlen im November die altbewährten Gladiatoren der Realpolitik nach langer Zeit mal wieder aufs Feld humpelten, erwarteten sie in der Arena ob ihrer Mitverantwortung für die Katastrophen, die zum 11. September geführt hatten, keine ohrenbetäubenden Buhrufe und schrillen Pfeifkonzerte, sondern stehende Ovationen. Dieselben Zuschauer, denen hinsichtlich der US-Außenpolitik früher nur Begriffe wie "Mossadegh" oder "Pinochet" einfielen, lauschten plötzlich ehrfurchtsvoll den weisen Worten des Gladiatorentrainers Kissinger.

Vermutlich aufgrund der Kompatibilität mit konservativen wie sozialdemokratischen Erfahrungen, die man durch jahrzehntelanges Kungeln mit Ostblockregimen gewonnen hatte, erinnert man sich plötzlich wieder, daß ein Diktator gerade aufgrund seiner Skrupellosigkeit immerhin innenpolitische Stabilität garantiert und dabei für das Volk manchmal sogar die eine oder andere Autobahn abfällt. In der Zeit nach dem Öffnen der ersten Massengräber im Irak wurde derartiger Unsinn zwar mit einem ziemlich gequälten Gesichtsausdruck und nur hinter vorgehaltener Hand vorgebracht, aber alleine schon um Bush zu ärgern ist diese längst widerlegte Denkweise hierzulande plötzlich wieder hip.

Jetzt gilt es als Zeichen verantwortungsvoller Außenpolitik, den schlimmsten Tyrannen wie gewohnt in die südlichen Körperöffnungen zu kriechen, und Staaten wie Syrien oder der Iran, die vor kurzem noch als terrorfördernde Unruheherde mit hohem Igittfaktor galten, werden plötzlich als regionale Stabilitätsfaktoren hofiert, deren legitime Interessen man ja auch berücksichtigen muß. Wahnsinn dieser Qualitätsstufe ist kaum noch zu toppen, so daß es schwer ist sich vorzustellen, was nach der Realpolitik kommt. Nur wann das der Fall sein wird, läßt sich schon jetzt genau vorhersagen, und zwar genau an dem Tag, wo die US-Regierung sie tatsächlich umsetzt. Versprochen.

1 Kommentar:

FDP Bayern Watch hat gesagt…

„Die Befreiung des Irak hat gerade dieser Tage wieder eine extrem schlechte Presse. Diese Erkenntnis ist zwar nicht ganz neu - schließlich war das ja nie anders - aber wer die Argumente der Saddamfreunde und Bushbasher über einen längeren Zeitraum verfolgt, wird zweifelsohne feststellen, daß dort eine gewisse Entwicklung zu beobachten ist, die angesichts der in der Geschichte der Politik wohl konkurrenzlosen Inkonsistenz als atemberaubende Mischung aus Saltos, Kehrtwenden und sonstigen beeindruckenden akrobatischen Kunststückchen nur ausgesprochen unzureichend beschrieben ist.“

Das würde mich jetzt interessieren, welche Saltos und Kehrtwenden damit gemeint sind.


„1. Prinzipielle Argumente
Da gab es beispielsweise die bereits seit den 80er-Jahren kampferprobten Friedensfreunde der "Kein Krieg, nirgends! (außer in El Salvador)"-Fraktion, deren zumeist gesinnungspazifistische Herangehensweise durch die militärischen Abenteuer des von ihnen als schützenswert erachteten irakischen Diktators, aber auch die Beteiligung von Rechtsextremisten an den "Kein Blut für Öl!"-Mahnwachen schon 1991 ad absurdum geführt worden und die ein paar hunderttausend Tote später nicht richtiger geworden war.“

Nun. Da hast Du durchaus recht.


„Glücklicherweise nur auf relativ begrenzte Resonanz traf die gruselige Sichtweise, daß es sich bei Saddam um einen heldenhaften Kämpfer gegen Zionismus, US-Imperialismus und Globalisierung handelte, der zwar zugegeben etwas ruppige Herrschaftsmethoden hatte, aber doch ein verdienstvoller Führer der III. Welt im antikoloniialistischen Befreiungskampf war. Inzwischen verlor diese Sichtweise aber vollends an Bedeutung und zog sich in die Kommentarspalten nationalbolschewistischer Propagandapostillen zurück.“

Das wäre doch nett, wenn Du dies mal etwas belegen könntest. Nur so die Behauptung in den Wind zu werfen ist doch etwas eintönig.


„Zeitweise und gerade bei liberalen Geistern sehr beliebt war hingegen die Ablehnung des Sturzes Saddam Husseins aufgrund von formalen völkerrechtlichten Bedenken.“

Nun. Die „liberalen Geister“ haben auf das ein oder andere Problem hingewiesen. Da wären jetzt die völkerrechtlichen Bedenken ein Punkt. Mir vielen da noch einige ein: keine Begründung, die fehlende Zuständigkeit der USA für ein Urteil als Weltpolizist, kein Konzept ...


„Dummerweise wurde hier verdrängt, daß es kein verbrieftes Recht eines Tyrannen auf das Massakrieren der eigenen Bevölkerung gibt und dieser sich selber im Zweifelsfall einen Dreck um Unterschriften auf irgendeinem Stück Papier scheren würde, weswegen es auch um diese Begründung zeitweise erstaunlich still geworden war.“

Dummerweise hat D.C. auch vergessen, dass es nicht der Weltpolizist ist und nicht der Richter über andere ist. Und dummerweise vergessen die Bush-Anbeter (auch NeoCons bezeichnet) dass D.C. sich hier fallweise auf den Weg macht, um Diktaturen zu stürzen und fallweise je nach belieben Diktaturen hofiert.


„Nicht zu vergessen ist ferner der kulturrelativistische (man könnte auch sagen rassistische) Ansatz, nachdem es zum guten Recht eines Diktators gehört, seine Untertanen zu kujonieren, solange er sich bei der Wahl seiner Opfer auf solche seiner Hautfarbe/Religion/Sprache und/oder Kultur beschränkt, wobei unangenehme Fragen, inwieweit das Werfen von Menschen in hochmoderne Plastikshredder oder ihre Ermordung durch Giftgas und Genickschüsse irgendetwas mit einer organisch gewachsenen autochthonen Kultur - oder Kultur überhaupt - zu tun hat, sicherheitshalber ausgespart blieben.“

Nicht zu vergessen, dass D.C. die Diktatoren bedarfsweise bei der Entwicklung ebensolcher Methoden tatkräftig unterstützt und bedarfsweise diese Methoden zur Erhaltung von Aussagen sogenannter Terroristen auch gerne zu nutzen bereit ist.


„2. Praktische Argumente
Da aber dieses grundsätzliche Bestreiten der Legitimation des Sturzes Saddam Husseins nur begrenzt tauglich war, versuchten es die Kriegsgegner dann zunehmend mit weniger prizipiellen als praktischen Argumenten.“

Ich habe bislang noch nie jemand getroffen, der die Legitimation zum Sturz der Barbaren angezweifelt hätte. Mir sind dagegen viele untergekommen, die die Methoden dieses Sturzes kritisieren, da sie vor allem zum Ausdruck bringen, dass sich (1) irgendjemand als Weltpolizist aufspielen kann, was insofern problematisch werden könnte, dass niemand mehr dem Überfall auf andere Länder mit eben jenen Argumenten ernsthaft kritisieren könnte und (2) das die Methoden im Vorfeld fragwürdig sind.


„Favorit war hier zunächst die Warnung vor einem Flächenbrand im Nahen Osten. Nachdem der einzige Flächenbrand in der Region aber die ersten zaghaften Schritte in Richtung Demokratisierung waren, die Metzeleien sich aber bis heute wie gehabt im wesentlichen auf den Irak konzentrieren, wird auch dieses Thema inzwischen weiträumig umgangen.“

Von wem? Also es ist eher ein glasklarer Beweis, dass die Stiernacken keinen Frieden bringen. Dafür sind sie aber auch nicht ausgebildet und es ist auch nicht ihre Aufgabe, Demokratisierung zu betreiben. Dafür gibt es andere Institutionen.


"Ähnlich verhielt es sich mit den Warnungen vor den humanitären Folgen eines Einmarschs im Irak. Da war von hunderttausenden von Toten und riesigen Flüchtlingslagern die Rede, doch seit bei den ersten Wahlen im Irak klar wurde, daß die fürs Elend bereits fest verplanten Millionen von Menschen lieber zur Wahl gehen statt hysterische Voraussagen der westlichen Intelligenzija zu erfüllen, hält Wolfgang Thierse lieber den Mund und äußerst sich nur noch zu Dingen, von denen er mehr oder besser gesagt nicht ganz so wenig versteht.“

Also mit dem Jammerlappen Thierse hab ich es nicht und ob Millionen von Toten und Flüchtlingen vorausgesagt wurden hab ich jetzt nicht näher geprüft. Aber vielleicht kannst Du die Quelle ja nachreichen.
Aber dass so ein paar tausend Tote zwischenzeitlich im Irak zu beklagen sind, dürfte unstreitig sein. Dies ist aber u.a. die Folge, dass D.C. ziemlich blauäugig ein Land betreten hat. Da helfen auch Wahlen nichts.


„Nur einen kurzen Frühling erlebten die Warnungen vor den militärischen Risiken eines Einmarschs im Irak.“

Kein Wunder. Im nächsten Frühling gab es bereits eine grüne Zone in Bagdad, die Bremer als Dienstsitz diente.


„Es gab zwar das volle Programm aus der Kassandraschachtel, also alles von den fanatisch kämpfenden "Republikanischen Garden" über den Häuserkampf im uneinnehmbaren Baghdad und dem Beschuß durch versteckte irakische Raketen bis hin zum Einsatz chemischer Waffen (da vergaß auch der Kriegsgegner in der Hitze des Gefechts gerne mal, daß Saddam die der eigenen Theorie zur Folge ja angeblich gar nicht hatte).“

Genau. Dies aber vor allem von den USA höchst selbst und hier von den dortigen Militärs.


„Nachdem sich all das aber beharrlich weigerte einzutreten, wurde verzweifelt zu jedem noch so lächerlichen Strohhalm gegriffen, um die Niederlage der Amerikaner wenigstens herbeizuschreiben, wenn sie schon nicht in der Realität eintreten mochte.“

Die derzeitigen Zustände im Irak als Sieg zu betrachten ist nicht nur eine sehr optimistische Sichtweise, sondern schlicht Realitätsverweigerung. Nach landläufiger Ansicht würde man es schon als Niederlage bezeichnen, wenn man der Lage im besetzten Land nicht Herr wird und die Bevölkerung eher meint „Ami go home“. Ursprünglich wurde einmal behauptet, die Irakis warten nur auf die U.S.-Boys!!!


„Die Verlautbarungen der Presse unterschieden sich wenige Tage nach Kriegsbeginn oft nur noch in der für westliche Ohren etwas verdaulicheren Ausdrucksweise von denen des irakischen Informationsministers. Höhepunkt war der legendäre Sandsturm, der zwar in seiner eigenen Staubwolke wirkungslos verpuffte, aber der schreibenden Zunft zeitweise Anlaß genug war, eine dräuende Katastrophe zu wittern. Nachdem die GIs kurz darauf in Baghdad Saddam-Statuen stürzten statt sich vor den Toren der Stadt wie erhofft schlachten zu lassen, nahm das Gros der "Experten" eine Auszeit und von weiteren militärischen Analysen vorerst lieber Abstand.“

Hm. Diese Sichtweise wäre mir neu. Das irakische Informationsministerium hatte eher Durchhalteparolen und Siege der eigenen Truppen vermeldet. Eine solche Meldung ist mir in den außerirakischen Medien nicht ungekommen. Aber vielleicht gibt Du mir ja ein Beispiel, warte da gespannt jetzt drauf.


„3. Militante Argumente
Wer jetzt aber dachte, die permanente Widerlegung der eigenen Position durch die Realität würde die Kriegsgegner wenigstens mal zum vorübergehenden Reflektieren bewegen können, wurde bitter enttäuscht.“

Nun. Wo eine Wiederlegung der eigenen Position nicht stattgefunden hat, muss auch keine Positionsänderung vorgenommen werden. Die Realität bestärkt vielmehr in der eigenen Haltung.
Was mich wundert ist eher, dass die Realität und das Eingeständnis von D.C. Leute wie Paul immer noch daran glauben lässt, dass die Form des Einmarsches richtig ist und dass die U.S.-Boys siegreich wären.


„Nicht einmal die Demontage ganzer Ideengebäude durch die eigenen Leute scheint auch nur im mindesten demotivierend auf sie zu wirken.“

Bisher wurde nur das Ideengebäude der NeoCons demontiert. Richtigerweise muss man aber sagen, dass die NeoCons demontiert wurden, das Ideengebäude besteht ja noch weiterhin.


„Im Gegenteil, es scheint einfach nur ihre Phantasie anzuregen. Irgendwann muß dann ein besonders einfallsreicher Kopf unter ihnen auf die skurrilste Begründung gekommen sein, die man sich für die Ablehnung eines Krieges denken kann: Daß sie die Kriegführung gegen andere Länder behindert.“

Welche anderen Länder? Selbst D.C. sieht derzeit davon ab, irgendwelche Raketen in Stellung zu bringen.


„In der persischen Variante dieser Argumentation sind alle ganz furchtbar betroffen von diesem ungehobelten Achmadinedschad, und ja, er ist tatsächlich doch ein klitzekleines bißchen gefährlich, wenn auch natürlich bei weitem nicht so sehr wie George W. Bush oder Ehud Olmert. Bei dieser Spielart der Kriegsgegnerschaft würden sich alle tief in ihrem kleinen Pazifistenherz ja ganz doll wünschen, daß die Amis dem Achmadinedschad den Stecker rausziehen, aber der blöde Dumbya hat schuld, daß seine dazu benötigten Truppen gerade im Irak festsitzen.“

Man kann ja viel über den Clown von Teheran sagen. Aber es war doch Olmert, der die Infrastruktur seinen Nachbarn in Schutt und Asche legen ließ, dessen Armee einen UN-Posten zerstört hat und der (zugegebener Maßen noch unter seinem Vorgänger und Ziehvater) ganze Familien in Palästina gezielt töten ließ.
Und es war doch D.C., welches in den Irak einmarschiert ist, in dem jetzt das blanke Chaos herrscht mit täglichen Explosionen, die nicht das neue Jahr verkünden.


„Wer jetzt einwendet, daß das irgendwie nicht so richtig glaubwürdig rüberkommt, wenn ein Diktatorenversteher, Kriegsgegner und Amerikahasser plötzlich den Warmonger in Sachen Iran gibt, wird staunen ob der Phantasie der Friedensbewegung des Jahres 2006. Denn da gab es tatsächlich noch die nordkoreanische Variante, nach der vom Kassenbrillenmodel Kim Jong Il die wahre Gefahr ausgeht. Und auch da hat's wieder jemand verbockt, den wir alle gut kennen. Es handelt sich natürlich um - Überraschung! - den doofen Dabbelju, der schließlich nicht auf die Appeasementjunkies hätte hören müssen.“

Na verbockt nicht. Man hätte sicher etwas geschickter vorgehen können und vielleicht wäre ein Besuch Bush jun. in Pjöngjang deskalierend gewesen. Aber da waren auch noch andere beteiligt. Es wäre also doch zuviel der Ehre, D.C. für alles verantwortlich zu machen.


„Dabei würden unsere Friedensfreunde doch alle so gerne den amerikanischen GIs zujubeln, wenn nur deren Oberbefehlshaber nicht gerade George W. Bush hieße. Hätte damals hingegen der Bildungsbeauftragte der Nation, John F. Kerry, die Wahl gewonnen, dann, ja dann, hätte das alles seine Richtigkeit, und die Kriegsgegner stünden wie ein Mann, in der Hand ihre Flagge (weißer Totenkopf auf weißem Grund), hinter der siegreichen Truppe, ganz gleich ob ihr demokratischer Hoffnungsträger zuerst am Persischen Golf oder im Chinesischen Meer losgeschlägt. Hauptsache Action!“

Sagen wir mal so: Hätte Kerry eine andere Politik gemacht, was zu erwarten gewesen wäre, hättest Du vielleicht recht gehabt. Da es dazu (leider) nicht gekommen ist, lohnt der Spekulation nicht und wir wollen uns der harten Realität widmen.


„4. Zynische Argumente
Wer nun glaubt, damit wäre der Höhepunkt des argumentativen Irrsinns der Kriegsgegner erreicht, irrt allerdings gewaltig. Denn als nach den US-Kongreßwahlen im November die altbewährten Gladiatoren der Realpolitik nach langer Zeit mal wieder aufs Feld humpelten, erwarteten sie in der Arena ob ihrer Mitverantwortung für die Katastrophen, die zum 11. September geführt hatten, keine ohrenbetäubenden Buhrufe und schrillen Pfeifkonzerte, sondern stehende Ovationen.“

Das eine Demokratisierungspolitik zum 11. September geführt hat, ist nun eine Mär, die nicht mal D.C. annimmt. Aber Du wirst dies sicher noch näher ausführen wollen. Der Spannungsbogen wird immer grösser.


„Dieselben Zuschauer, denen hinsichtlich der US-Außenpolitik früher nur Begriffe wie "Mossadegh" oder "Pinochet" einfielen, lauschten plötzlich ehrfurchtsvoll den weisen Worten des Gladiatorentrainers Kissinger.“

Ich persönlich fand Kissinger schon immer interessant. Dass er die ein oder andere Untat auf dem Kerbholz hat, steht auf einem anderen Blatt. Er ist ein genialer Wissenschaftler und deshalb mehr als interessant.


„Vermutlich aufgrund der Kompatibilität mit konservativen wie sozialdemokratischen Erfahrungen, die man durch jahrzehntelanges Kungeln mit Ostblockregimen gewonnen hatte, erinnert man sich plötzlich wieder, daß ein Diktator gerade aufgrund seiner Skrupellosigkeit immerhin innenpolitische Stabilität garantiert und dabei für das Volk manchmal sogar die eine oder andere Autobahn abfällt. In der Zeit nach dem Öffnen der ersten Massengräber im Irak wurde derartiger Unsinn zwar mit einem ziemlich gequälten Gesichtsausdruck und nur hinter vorgehaltener Hand vorgebracht, aber alleine schon um Bush zu ärgern ist diese längst widerlegte Denkweise hierzulande plötzlich wieder hip.“

Also man kann Saddam viel vorwerfen, aber dass es ihm an Stabilität gefehlt hat nun wirklich nicht. Die Methoden sind jedoch fragwürdig gewesen.
Fakt ist aber auch, dass jetzt exakt das Gegenteil von Stabilität herrscht - Chaos und Bombenterror. Eine der Ursachen ist, dass man sich in den dortigen Verhältnissen nicht auskennt und dachte, wir kommen und die Welt wird gut. Falsch gedacht, nichts draus gemacht.


„Jetzt gilt es als Zeichen verantwortungsvoller Außenpolitik, den schlimmsten Tyrannen wie gewohnt in die südlichen Körperöffnungen zu kriechen, und Staaten wie Syrien oder der Iran, die vor kurzem noch als terrorfördernde Unruheherde mit hohem Igittfaktor galten, werden plötzlich als regionale Stabilitätsfaktoren hofiert, deren legitime Interessen man ja auch berücksichtigen muß.“

Wobei ja der liebe Mr. Bush jun. da ganz vorne rennt. Aber sei es drum.


„Wahnsinn dieser Qualitätsstufe ist kaum noch zu toppen, so daß es schwer ist sich vorzustellen, was nach der Realpolitik kommt. Nur wann das der Fall sein wird, läßt sich schon jetzt genau vorhersagen, und zwar genau an dem Tag, wo die US-Regierung sie tatsächlich umsetzt. Versprochen.“

Also Bush jun. ist nach dem Abtritt der NeoCons ja nun zur Realität der Politik von sein Tagträumen zurückgekehrt. Bolton hatte Kreide gefressen und wird nun doch nicht überleben.
Also willkommen in der Realpolitik!!!