Freitag, Dezember 01, 2006

Nicht gut. Weniger schlecht.

Die Idee einer Demokratisierung des Nahen Ostens mag verrückt erscheinen, aber sie ist alternativlos

von Thomas Uwer

Die Begegnung im Dezember 1975 war ungewöhnlich. In der irakischen Botschaft in Paris traf Henry Kissinger, damals amerikanischer Außenminister, seinen irakischen Amtskollegen Sa'dun Hammadi zu einem »inoffiziellen« Gespräch, von dem außer einer vertraulichen Mitschrift nichts geblieben ist. Seit dem Putsch der »freien Offiziere« unter Abd al-Karim Qasem im Jahr 1958 war es um die Beziehungen zwischen beiden Staaten schlecht gestellt gewesen. Der coup d'état der Ba'th-Partei 1968 und die darauffolgende »revolutionäre« nationale Front-Regierung aus Ba'thisten und Kommunisten hatten die gegenseitige Ablehnung nur verstärkt. Zum Zeitpunkt des Treffens war das ba'thistische System bereits fest etabliert, die (mitregierenden) Kommunisten waren wieder zur Jagd frei gegeben, die Erdölförderung verstaatlicht, ein milliardenschwerer Waffendeal war mit der Sowjetunion abgeschlossen und Israel der Krieg erklärt worden. Der ba'thistische Irak strebte die Rolle der führenden Nation des arabisch-nationalistischen Blocks an, mit allem, was dazu gehört: Schauprozesse gegen »zionistischen Spione« und öffentliche Hinrichtungen, Militärparaden und Superkanonen.

Als Kissinger die irakische Botschaft aufsuchte, stand der Ba'th-Staat kurz vor dem Höhepunkt regionaler und innerer Machtentfaltung. Zwar hatten der Hass auf Israel und die USA zum ideologischen Repertoire aller irakischen Regierungen gehört, doch war es die Ba'th-Regierung, die mit dem Versprechen antrat, die Vernichtung der Feinde auch umzusetzen. Man muß nicht groß über die Schwierigkeiten diplomatischer Beziehungen nachdenken, um die Absurdität der Situation zu erkennen: Kissinger suchte genau dann das Gespräch, als der Irak besonders feindselig und zugleich gefestigt genug war, um auf Angebote aus Washington leichter Hand verzichten zu können.

Durch den Lieferanteneingang buhlte die amerikanische Regierung um die Gunst der arabisch-nationalistischen Staaten, die sich mit der Sowjetunion verbündet hatten. Kissingers Auftrag war klar und pragmatisch: Kooperation wirkt gemeinhin mäßigend und auch wenn Mäßigung bereits damals die teuerste zu erwerbende Ressource des Nahen Ostens darstellte, schien sie doch den Preis wert. Ein wenig Verständigung hier, ein Verzicht auf Feindseligkeiten dort, dafür lasse man die inneren Angelegenheiten des Irak innere Angelegenheiten bleiben. Und auch über Israel könne man reden: »We don't need Israel for influence in the Arab world«, sagte Kissinger der Mitschrift zufolge. »We can't negotiate about the existence of Israel, but we can reduce its size to historical proportions....« Das Angebot kam zu spät. Einen Monat zuvor hatte der Irak bereits ein Abkommen mit Frankreich über eine »nukleare Kooperation« geschlossen, das dem Ba'th-Staat die Möglichkeit geben sollte, die Ausdehnung Israels künftig nach eigenem Ermessen zu reduzieren. Kissinger ging, wie er gekommen war: Mit leeren Händen.

Heute ist der Ba'th-Staat Geschichte, der französisch-irakische Atomreaktor »Osirak« wurde von israelischen Kampfjets zerstört und der irakische Schiit Sa'dun Hammadi, der 1991 von Saddam Hussein zum Premierminister ernannt wurde, als die »Republikanischen Garden« die Schiiten im Südirak niedermetzelten, von amerikanischen Soldaten verhaftet. Nichts wird gut. Aber manches ist ein bißchen weniger schlecht geworden.

Daß es so kam und nicht noch schlechter, ist weder einem verspäteten Ende des Kalten Krieges im Vorderen Orient noch dem amerikanischen Werben um die arabisch-nationalistischen Regimes geschuldet. Diese haben sich ohne Sowjetunion nicht besser entwickelt als mit ihr, während umgekehrt die prowestlichen Oligarchien sich als nicht weniger anfällig für islamfaschistische Tendenzen erwiesen als jene Modernisierungsdiktaturen der »arabischen Nation«, die heute wie alte Gartenmöbel zusammenklappen - mit dem Unterschied nur, daß die einen sie finanzieren, während die anderen sie auszukosten haben. Die späte Einsicht nach dem 11. September 2001, daß vom Todespiloten bis zum vorbetenden Imam im Hinterland alle ihr Gehalt aus jenen Staaten bezogen, die als treueste Verbündete der USA galten, war lediglich ein Vorgeschmack auf das, was sich im Irak und anderen Ländern derzeit abzeichnet: Die Gesellschaften der gesamten Region sind zerrüttet, ihre Staaten nicht mehr funktionstüchtig; gleichzeitig mangelt es an Möglichkeiten, eine einigermaßen erträgliche Alternative diesseits des Paradieses zu entwickeln. Dies war bereits der Fall, bevor amerikanische Soldaten die Statuen Saddam Husseins vor dem Hotel Palestine in Bagdad niederrissen und ein paar leere Höhlen im afghanischen Tora Bora bombardierten. Kritisch festzuhalten bleibt, daß es nicht besser kam, als es ist.

»Die Vorstellung, daß im Irak plötzlich eine stabile Demokratie entsteht und den Rest der arabischen Welt verändert, überschreitet die Grenze zwischen neo-konservativ und neo-verrückt«. Diese Kritik kam nicht aus dem alten Europa, sondern aus einem jener berüchtigten amerikanischen Think-tanks, die immer dann herhalten müssen, wenn europäischen Linken kein besserer Schuldiger einfällt. Anthony Cordesman, ein Militär beim Center for Strategic and International Studies in Washington, formulierte Ende 2002, was als Essens der amerikanischen Kritik an der »Liberation Policy« der Bush Administration vor dem Irakkrieg gelten kann: Die avisierten Ziele der Befreiung Iraks seien verrückt. Über Alternativen aber schwieg man sich vornehm aus. So wurde der Unterschied zum alten Europa markiert durch eine Kritik am tatsächlichen Vorgehen, während man den zugrundeliegenden Befund teilte: Die Staaten des arabischen Nahen Ostens befinden sich in einer substantiellen Krise, die durch ein bißchen Mäßigung hier und ein wenig Zusammenarbeit dort nicht mehr zu bewältigen ist.

Anders als in Europa hatte der 11. September bewirkt, daß der Traum vom besseren Schlechten - der freundlichen Diktatur oder der treu verbündeten Oligarchie - geplatzt war. Eine fatale Mischung aus Ressourcenreichtum und Unterentwicklung, (mal islamischem, mal arabischem) Heilsversprechen und Unterdrückung hat bewirkt, daß die Menschen im Vorderen Orient mehr noch als um ein erträgliches Leben auch um die Idee gebracht wurden, daß ein solches möglich ist. Nicht die von der CIA gepäppelten Zöglinge aus dem Hause Saud, die in den afghanischen Bergen bewaffnet auf Sinnsuche gingen, sondern Gesellschaften, die unterhalb der bürokratischen Elite keine Perspektive zu bieten haben, bilden das schier unerschöpfliche Reservoir für einen globalen Djihad. Auf dem Weg zur Despotie ist die Grenze zum Verrückten schon vor Jahrzehnten überschritten worden.

An diesem Befund hat sich wenig geändert, auch wenn die Hoffnung auf eine Demokratisierung des Irak angesichts der Zustände im Land beinahe mit jedem Tag verrückter wird. Wie schlecht es um den Irak steht, belegen zwei Meldungen von ein und demselben Tag Ende Oktober. In der einen wird der irakische Premierminister Nouri al-Maliki zitiert, der nach einem Treffen mit dem schiitischen Miliz-Anführer Muktada al-Sadr verkündete, er freue sich auf die Hinrichtung Saddam Husseins. In der anderen wird berichtet, die südirakische Stadt Amara sei nach tagelangen Gefechten mit irakischen Polizeikräften von Sadr-Milizen eingenommen worden. Die gesamte Tragödie des Landes verdichtet in ein paar Zeilen: Der eine feiert den Neubeginn mit einer Hinrichtung und klopft dabei dem anderen auf die Schulter, dessen Milizen gerade das Land zerlegen.

Weil das so ist, sind die wenigen guten Nachrichten immer auch schlechte: Ja, es gibt einen anderen Irak. Der aber wird von den staatlichen und privaten Kopfabschneidern so bedrängt, daß man beständig um jene fürchtet, die für ihn stehen. Journalisten, Verleger, Menschenrechtler, Feministinnen, Gewerkschafter, Rechtsanwälte, Abgeordnete und manchmal auch einfache Schnapshändler werden von schiitischen und sunnitischen Todesschwadronen heimgesucht und wissen vielfach nicht einmal, wer es ist, der ihnen nach dem Leben trachtet.

Vieles davon hätte vermieden, anderes besser gemacht werden können, wäre die praktische Politik nur intelligent gewesen, was sie bekanntlich aber selten ist. Daß alle anderen Probleme auch den Amerikanern in Rechnung gestellt werden, ist jene Konsequenz der »Liberation Policy«, die konservative Kritiker der Bush-Administration, wie der zitierte Cordesman, so sehr fürchteten. Denn mit der Befreiung des Irak fiel der amerikanischen Regierung auch die Verantwortung für solche Entwicklungen zu, die sie selbst weder ausgelöst, noch gewollt hat.

Weil es schlecht steht um den Irak, von Afghanistan ganz zu schweigen, haben drei Jahrzehnte und eine handvoll Kriege nach dem Geheimtreffen von Paris die sogenannten Realisten wieder Konjunktur. Und mit ihnen die gegen jede Erfahrung resistente Option des geringeren Übels. Tatsächlich spricht sehr viel gegen eine erfolgreiche Demokratisierung des Nahen Ostens: Die weitgehende Zerstörung moderner Institutionen, die außerhalb vollständiger staatlicher Kontrolle existieren und, damit zusammenhängend, die Abhängigkeit großer Teile der Bevölkerung von traditionellen oder familiären Strukturen; die vollständige faktische wie rechtliche Unterwerfung des Individuums unter das (nationale oder konfessionelle) Kollektiv; die politische Ökonomie der Rentier-Staaten und bürokratischen Diktaturen, die das Entstehen einer selbstbewußten bürgerlichen Klasse genauso verhinderte wie die eines im Widerspruch zur herrschenden Form gesellschaftlicher Aneignung stehenden Proletariats und damit zugleich die Herausbildung eines Systems der Machtverteilung auf konkurrierende Institutionen. Die meisten dieser Argumente sind zu gut, um sie einfach abzutun, und alle zusammen lassen das Vorhaben einer Demokratisierung fraglos ein wenig neo-verrückt erscheinen. Sie sind zugleich aber das beste Argument gegen jene vermeintlich realistische Politik, welche die Malaise des Vorderen Orients nur zu verlängern vermochte und die den Arabern bestenfalls eine zur Mäßigung erpreßbare Diktatur übrig läßt.

Daß im Nahen Osten außer Autokratie nichts funktioniere, ist keine Erfindung westlicher Kulturalisten. Vor ihnen haben es arabische Nationalisten behauptet und nach ihnen jene Islamisten, die heute vielerorts das Sagen haben. »Die Amerikaner sollten die Iraker als Iraker betrachten und nicht als Amerikaner in Ausbildung«, sagt beispielsweise der Sprecher Muktada al-Sadrs, Baha al-Araji, und meint, Gewaltenteilung und Bürgerrechte mögen in den USA funktionieren, für den Irak seien sie indessen nichts. Die amerikanische Zeitschrift »Foreign Policy« fand das immerhin so geistreich, daß sie es unter der Überschrift »Why America will fail in Iraq« abdruckte. Daß aber noch der ärmste Fellach im Sumpfland von Amara wenigstens als Amerikaner zu behandeln sei, ist keine Zumutung, sondern eine universalistische Minimalforderung. Sie wird derzeit in weiten Teilen des Irak (den Nordirak ausgenommen) und in Afghanistan nur dort ansatzweise eingelöst, wo ein amerikanischer Panzer vor der Tür steht. Das ist nicht gut und es ist noch keine Demokratisierung. Aber es ist besser, als sich eine trügerische Ruhe zu erkaufen, indem man innere Angelegenheiten innere Angelegenheiten bleiben läßt und die Größe Israels ein wenig »reduziert«. Darunter ist eine laizistische Diktatur auch heute nicht zu haben.

[Der Text ist - unter anderer Überschrift - erschienen in Konkret 12/2006.]

Dienstag, November 28, 2006

Von richtigen Kriegen und falschen Kriegern

Die Befreiung des Irak hat wie so vieles, was die USA anpacken, seit je her ein Imageproblem. Wenn es nach der Mehrheit der europäischen Politiker, Medien und deren Wählern/Zuschauern/Lesern gegangen wäre, würde Saddam Hussein noch heute ungestört seine bedauernswerten Untertanen in die Massengräber treiben und mit Hilfe seines nach Ende der Sanktionen längst wieder aufgenommenen WMD-Programms auch unter seinen Nachbarn wieder fröhlich Angst und Schrecken verbreiten. Seit einiger Zeit jedoch ist eine Veränderung in der Argumentation der Irakkriegsgegner zu beobachten. Wurde der Krieg gegen den Irak bisher meist prinzipiell abgelehnt, so tritt inzwischen eine neue Variante der Kritik an der US-Außenpolitik in den Vordergrund.

Wo früher die aus pazifistischen oder antiamerikanischen Quellen gespeisten Befürworter einer Kuschelpädagogik gegenüber Terrorregimen den Ton angaben, dominieren nach deren gegenseitiger argumentativer Selbstdemontage zunehmend Möchtegernhardliner, die den jetzt immer schneller immer größer werdenden Schatten iranischer Atomwaffen zum Anlaß nehmen, den Einmarsch im Irak nur als den "falschen" Krieg zu kritisieren, der statt dem "richtigen", also dem gegen den Iran, geführt worden sei und diesen damit - leider, leider! - unmöglich gemacht habe. Statt also wie früher George W. Bush anzukreiden, daß er zu sehr auf die nationale Sicherheit geschaut habe, so versucht man ihm jetzt umgekehrt vorzuwerfen, daß er im Gegenteil ein regelrechtes Sicherheitsrisiko sei.

Zwar ist das nicht wirklich ernstzunehmen, schließlich geht es wie üblich auch hier bloß um das traditionelle Bushbashing, nur halt in neuem Gewand. Denn es ist natürlich nicht davon auszugehen, daß dieselben Personen Bush im Falle eines Angriffs auf den Iran wirklich unterstützt hätten, zumal die Mullahs damals ja noch ein paar Jahre weiter von der Atombombe weg waren. Auch widersprechen sich diese Pseudokriegstreiber selbst, da sie gleichzeitig behaupten, daß der Iran ein viel gefährlicherer Gegner wäre als der Irak, so daß es dort kaum weniger Schwierigkeiten gegeben hätte. Und wie unsere Freunde auf Schwierigkeiten reagieren, wissen wir spätestens, seit Fukuyama Hals über Kopf getürmt ist, nur weil diese fiesen Terroristen sich doch tatsächlich gegen ihre Niederlage zu wehren wagen.

Noch fragwürdiger als die Motive und die Aufrichtigkeit derjenigen, die die These verbreiten, daß die Operation "Iraqi Freedom" den USA für "Irani Freedom" die Hände bindet, ist allerdings die These selbst. Die Behauptung, daß die Lage im Irak den Vereinigten Staaten sämtliche Optionen für ein härteres Vorgehen gegen den Iran nimmt, ist schlicht und einfach völliger Unsinn, der dadurch, daß seine Fangemeinde inzwischen neben gewissen Bloggerkollegen auch bekannte Nachrichtenmagazine und sogar einen leibhaftigen ex-Außenminister umfaßt, nicht richtiger wird. Aufgrund der zunehmenden Verbreitung dieser Idee wird es daher höchste Zeit, die Bedenken dieser Neobellizisten hinsichtlich einer US-Invasion im Iran mal ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen.

Warum es gar nicht nötig wäre

Zunächst einmal wären die im Irak stehenden US-Truppen für einen begrenzten Schlag gegen das iranische Atomprogramm überhaupt nicht unbedingt notwendig. Sogar eine Strafaktion gegen die Revolutionsgarden wäre ohne größere Probleme sozusagen "nebenher" durchführbar. Diese Operationen ließen sich nämlich im wesentlichen mit Luft- und Seestreitkräften erledigen, die anders als die Landstreitkräfte derzeit eher unterbeschäftigt sind, so daß für eine derartige Operation genügend Kapazitäten frei wären, ohne die Einsatzbereitschaft im Irak nennenswert zu beeinträchtigen. Die damit verbundenen Gefahren wären eher politischer Art, was die interne Bewertung einer derartigen Aktion durch US-Militärplaner als "low-risk" unterstreicht.

Aber auch wenn sich die USA entschließen sollten, das Problem an der Wurzel anzupacken, und das Regime in Teheran ein für allemal aus dem Verkehr ziehen wollten, wären die im Irak stehenden Truppen dafür nicht zwingend unabdingbar. Zwar wäre deren dauerhafte Verfügbarkeit für eine anschließende Stabilisierungsoperation sicherlich von Vorteil, aber da zumindest der jüngere Teil der iranischen Bevölkerung den USA und den westlichen Idealen von Freiheit weit aufgeschlossener gegenübersteht als das beispielsweise in der arabischen Welt der Fall ist, wäre eine Demokratisierung des Iran nach dem Sturz des derzeitigen Regimes auch ohne längere amerikanische Besatzung nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern möglicherweise sogar erfolgversprechender.

Warum es nicht zu verhindern wäre

Aber selbst wenn die USA zu dem Schluß kämen, daß es sinnvoll wäre, die im Irak stationierten Truppen für eine Invasion einzusetzen, so hätten die dort operierenden Terroristen keine Möglichkeit sie daran zu hindern. Auch wenn diese Erkenntnis für die Bewunderer des irakischen "Widerstands" bitter ist und angesichts deren Glaubens an die eigene Propaganda etwas überraschend kommen mag, aber die US-Truppen besitzen anders als ihre Gegner im Irak totale Bewegungsfreiheit. Wenn das US-Militär morgen aus Langeweile beschließen sollte, den ganzen Laden einmal komplett quer durch den Irak zu verlegen und wieder zurück, so bliebe unseren islamofaschistischen Helden nicht viel übrig, als dem Schauspiel staunend zuzuschauen.

Denn eine isolierte kleine Humvee-Patrouille in einer engen Seitenstraße einer abgelegenen Provinzstadt zu beschießen ist ein bißchen was anderes als eine kriegsbereite Invasionsstreitmacht in Armeestärke auf der Suche nach Ärger an ihrem Aufmarsch hindern zu wollen. Natürlich könnten unsere irakischen We(h)rwölfe den USA in Einzelfällen auch dabei Verluste zufügen, aber ein paar schnell improvisierte Schießereien wären angesichts eines bevorstehenden ausgewachsenen Krieges sicher nichts, was irgendeinen General dazu bewegen dürfte, seinen Vormarsch einzustellen, und zwar selbst dann, wenn es dem iranischen Geheimdienst wider Erwarten doch gelingen sollte, völlig unbemerkt einen größeren Aufstand im Südirak vorzubereiten.

Wovon dem für besagten Aufstand vorgesehenen Kanonenfutter im übrigen dringend abzuraten wäre. Denn wer die Tet-Offensive nachspielen möchte, sollte sich in Erinnerung rufen, wie selbige ausgegangen ist. Man kann sie getrost als das größte Selbstmordattentat der Geschichte bezeichnen, mit dem Unterschied, daß das Verhältnis zwischen getöteten Attentätern und erzielten Opferzahlen wohl nie so ungünstig war wie bei dieser Aktion. Der Vietcong hörte nach dieser Kamikaze-Aktion praktisch auf, als organisierte Kampfeinheit zu existieren. Und wer glaubt, daß die USA einen al-Sadr nach einer derartigen Aktion noch mal mit einem blauen Auge davonkommen lassen würden, hat ein sehr freundliches Bild von der Leidensfähigkeit der US-Streitkräfte.

Doch selbst wenn es den Mullahs gelänge, eine größere und länger andauernde Terrorwelle gegen die US-Truppen im Irak anzuzetteln, so könnten sie sich dafür auch nichts mehr kaufen, denn länger andauernd ist kein guter Plan, wenn das eigene Ende binnen Wochen oder gar Tagen kommen kann. Auf jeden Fall würde schon ein aus freien Stücken beschlossener planmäßiger Truppenabzug um einiges länger dauern als der Sturz der im eigenen Land verhaßten Klerikalfaschisten. Wer diesen Abzug über Gebühr zu beschleunigen gedenkt, sollte daher nicht vergessen, daß eine "exit strategy" ohne weiteres auch über Teheran führen kann, wie bereits vor über einem Jahr zwar im Spaß, aber trotzdem nicht ganz zu unrecht festgestellt wurde. Und in wie weit auf "targeted killings"-Listen stehende Flüchtlinge dann noch große Terroroffensiven in anderen Ländern koordinieren können, lassen wir mal dahingestellt.

Warum es durchaus möglich wäre

Spätestens an dieser Stelle kommt jetzt normalerweise das so populäre wie falsche Gegenargument, die iranische Armee wäre ohnehin viel zu stark, als daß die USA mit ihr fertig werden könnten. Mal ganz davon abgesehen, daß dieselben "Experten" das auch schon zweimal über die irakische Armee gesagt haben und die iranische Armee vergleichsweise eher schlechter als besser ausgestattet ist, sollte es den Zweiflern zu denken geben, daß selbst nach den Erfahrungen im Irak, wo die Alliierten angeblich zu wenig Truppen hatten, für eine großangelegte Invasion des Iran nur Truppenverbände in ungefähr derselben Größenordnung eingeplant werden wie für den Einmarsch im Irak im Jahre 2003. Ansonsten sollte man nicht alles glauben, wenn eine Diktatur kurz vor dem Ende anfängt, von irgendwelchen Wunderwaffen zu fabulieren.

Nicht viel intelligenter ist das beliebte Hochrechnen der Größe eines Landes auf seine Verteidigungsfähigkeit. Quadratkilometer ersetzen keine Kampfverbände, im Gegenteil - längere Frontlinien sind für den Verteidiger ohnehin schon mindestens genauso sehr von Nachteil wie für den Angreifer, aber bei gegnerischer Luftherrschaft sind sie geradezu katastrophal. Und eine zahlenmäßig stärkere Bevölkerung, die wie im Iran dem herrschenden Regime überwiegend feindlich gesonnen ist, ist im Zweifelsfall für einen Verteidiger, der nur dafür kämpft, selbige weiterhin ungestört unterdrücken zu können, ein weit gefährlicheres Sicherheitsproblem als für einen potentiellen Befreier, zumindest solange die - in PR-Sachen allerdings zugegeben nicht sonderlich begabten - USA sich da keine allzu schweren Fehler zuschulden kommen lassen.

Doch es kommt noch besser (oder schlimmer, je nach Standpunkt). Auch die Hoffnung, daß die irakische Regierung ohne die Anwesenheit der US-Truppen sofort zusammenbrechen würde, ist vergebens. Natürlich würde dies zu einigen Problemen führen, aber zu glauben, daß am Tag nach dem Abzug der Amerikaner Sarkawi den Präsidentenpalast stürmt, das Kalifat ausruft und die Minister des amtierenden Kabinetts köpfen läßt, zeugt von realitätsfremdem Wunschdenken. Der Irak des Jahres 2006 ist nicht mehr der von 2003. Die irakischen Regierungstruppen sind bereits jetzt weit stärker, als es die "Rebellen" je sein werden. Die Lage würde sicherlich instabiler, aber zur einer Machtergreifung gehört dann doch noch ein bißchen mehr, als einfach nur zu beschließen, Politiker zu werden.

Aber selbst wenn die irakische Regierung infolge eines Abzugs der US-Streitkräfte stürzen und das Land auseinanderbrechen würde, so wäre auch dieses "worst-case scenario" aus amerikanischer Sicht immer noch weit besser als die Lage vor 2003. Denn schlimmstenfalls würde das Land dann halt dreigeteilt, die Kurden würden unabhängig und müßten eben alleine die Demokratiefähigkeit der arabisch-islamischen Welt demonstrieren, Saddam wäre immer noch gestürzt, sein Programm zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen zerstört, und auch wenn Sunniten und Schiiten tatsächlich noch in großem Stil übereinanderherfallen sollten, so könnte ein abgerüsteter Irak seine Nachbarn auf absehbare Zeit jedenfalls nicht mehr ernsthaft bedrohen.

Vor allem aber, und das ist dann im wahrsten Sinne des Wortes das Totschlagsargument, welches all das Gerede von der Handlungsunfähigkeit der USA in einem radioaktiven Logikwölkchen verpuffen läßt, wäre nichts, was sich selbst ein mit noch so viel kranker Phantasie gesegneter Bushhasser für die Entwicklung im Irak ausdenken könnte, auch nur halb so schlimm, wie eine iranische Mittelstreckenrakete mit einem schwarzen Turban auf dem bärtigen Nuklearsprengkopf. Denn eine nicht unerhebliche Motivationsquelle der NeoCons war es ja gerade, Atombomben in den Händen von Terroristen und Schurkenstaaten langfristig zu verhindern. Wenn sie diese dadurch aber sogar kurzfristig bekämen, würden die Demokratisierungspläne für den Nahen und Mittleren Osten notfalls sofort geopfert.

Warum es sogar einfacher wäre

Doch damit nicht genug, ist die Realität für die wiedergeborenen Friedenskrieger noch weit deprimierender. Die Tatsache, daß amerikanische Truppen im Irak stehen, ist nämlich nicht nur kein Hindernis für einen Schlag gegen den Iran, sie ist sogar diesbezüglich von nicht unerheblichem Vorteil. Denn auch wenn die Verschwörungstheoretiker, die zu Beginn des Irakkonflikts die Ansicht vertraten, daß der Angriff auf den Irak nur eine Ausgangsbasis für einen Krieg gegen den Iran schaffen sollte, mit ihrer monokausalen Betrachtungsweise weit über das Ziel hinausgeschossen sind, so lagen selbst diese anerkannten Spinner noch weit näher an der Wahrheit als die derzeit angesagte Kreuzung aus Irakkriegsgegnern und Irankriegsbefürwortern.

Denn falls sich die USA für die "große Lösung" - also die Befreiung des Iran inkl. einer Invasion durch Landstreitkräfte - entscheiden sollten, wären die im Irak bereits stationierten Einheiten von unschätzbarem Vorteil. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg eines "regime change" ist nämlich der Überraschungseffekt, und der ließe sich wesentlich leichter erzielen, wenn die für eine Invasion nötigen Truppenverstärkungen als Teil einer größeren Antiterroroffensive oder im Rahmen der üblichen Truppenrotation erfolgen könnten. Dies würde die Vorwarnzeit für den Iran drastisch reduzieren. Hinzu kommen die logistischen Vorteile für die USA, da die Masse der benötigten Truppen bereits im Nachbarland steht und nicht erst noch monatelang aus Übersee herangeschafft werden muß.

Doch auch für den Fall, daß die USA nur einen begrenzten Schlag gegen das Mullahregime durchführen wollten oder daß die derzeitige irakische Regierung einem Angriff von ihrem Territorium ablehnend gegenüberstünde, wäre die bloße Anwesenheit der US-Truppen im Nachbarland ein nicht zu unterschätzendes Problem für die iranischen Verteidigungsplaner. Denn getreu der im Schach wie ihm Krieg geltenden Regel, daß die Drohung mitunter stärker ist als die Ausführung, wäre der Iran trotzdem gezwungen, sich selbst dann auf eine Landinvasion vorzubereiten, wenn die im Irak stationierten US-Truppen keinen einzigen Schuß abfeuern.

Wenn aber der Schwerpunkt der Verteidigung auf die Abwehr einer Invasion vom Irak aus gelegt werden muß, dann wertet das sämtliche den USA sonst noch zur Verfügung stehenden schwächeren Alternativen von einer Zerstörung der Atomanlagen über einen Enthauptungsschlag gegen das Regime oder die gezielte Zerstörung der Revolutionsgarden bis hin zu einer amphibischen Operation massiv auf. Das kann dann allerdings zweierlei bedeuten: Entweder wird die Aufgabe der USA, das Mullahregime am Erwerb von Atomwaffen zu hindern, gerade durch den Erfolg im Irak und die daraus resultierende, möglicherweise noch in diesem Jahr beginnende Truppenreduzierung schwieriger. Oder aber die Zeit für Chameini und seine Schergen läuft schneller ab als gedacht. Hoffen wir auf letzteres.

Freitag, November 24, 2006

1000 Volt(en) und das Licht der Erleuchtung brennt trotzdem nicht

Die Befreiung des Irak hat gerade dieser Tage wieder eine extrem schlechte Presse. Diese Erkenntnis ist zwar nicht ganz neu - schließlich war das ja nie anders - aber wer die Argumente der Saddamfreunde und Bushbasher über einen längeren Zeitraum verfolgt, wird zweifelsohne feststellen, daß dort eine gewisse Entwicklung zu beobachten ist, die angesichts der in der Geschichte der Politik wohl konkurrenzlosen Inkonsistenz als atemberaubende Mischung aus Saltos, Kehrtwenden und sonstigen beeindruckenden akrobatischen Kunststückchen nur ausgesprochen unzureichend beschrieben ist.

Wer also von den Befürwortern der Befreiung des Irak unter dem Druck von Öffentlichkeit und Freundeskreis zu grübeln beginnt, ob der Sturz des Schlächters von Baghdad nicht vielleicht doch ein Fehler gewesen sein könnte, sollte alleine schon daran, wie sehr sich die Kriegsgegner untereinander widersprechen und sich dabei en passant so ungewollt wie effizient gegenseitig ihre Argumentationsketten auseinandernehmen, erkennen, daß er so falsch gar nicht gelegen haben kann. Selten jedenfalls hat sich jemand so schön widerlegt wie die Gegner des Irakkriegs das gegenseitig getan haben.

1. Prinzipielle Argumente

Da gab es beispielsweise die bereits seit den 80er-Jahren kampferprobten Friedensfreunde der "Kein Krieg, nirgends! (außer in El Salvador)"-Fraktion, deren zumeist gesinnungspazifistische Herangehensweise durch die militärischen Abenteuer des von ihnen als schützenswert erachteten irakischen Diktators, aber auch die Beteiligung von Rechtsextremisten an den "Kein Blut für Öl!"-Mahnwachen schon 1991 ad absurdum geführt worden und die ein paar hunderttausend Tote später nicht richtiger geworden war.

Glücklicherweise nur auf relativ begrenzte Resonanz traf die gruselige Sichtweise, daß es sich bei Saddam um einen heldenhaften Kämpfer gegen Zionismus, US-Imperialismus und Globalisierung handelte, der zwar zugegeben etwas ruppige Herrschaftsmethoden hatte, aber doch ein verdienstvoller Führer der III. Welt im antikoloniialistischen Befreiungskampf war. Inzwischen verlor diese Sichtweise aber vollends an Bedeutung und zog sich in die Kommentarspalten nationalbolschewistischer Propagandapostillen zurück.

Zeitweise und gerade bei liberalen Geistern sehr beliebt war hingegen die Ablehnung des Sturzes Saddam Husseins aufgrund von formalen völkerrechtlichten Bedenken. Dummerweise wurde hier verdrängt, daß es kein verbrieftes Recht eines Tyrannen auf das Massakrieren der eigenen Bevölkerung gibt und dieser sich selber im Zweifelsfall einen Dreck um Unterschriften auf irgendeinem Stück Papier scheren würde, weswegen es auch um diese Begründung zeitweise erstaunlich still geworden war.

Nicht zu vergessen ist ferner der kulturrelativistische (man könnte auch sagen rassistische) Ansatz, nachdem es zum guten Recht eines Diktators gehört, seine Untertanen zu kujonieren, solange er sich bei der Wahl seiner Opfer auf solche seiner Hautfarbe/Religion/Sprache und/oder Kultur beschränkt, wobei unangenehme Fragen, inwieweit das Werfen von Menschen in hochmoderne Plastikshredder oder ihre Ermordung durch Giftgas und Genickschüsse irgendetwas mit einer organisch gewachsenen autochthonen Kultur - oder Kultur überhaupt - zu tun hat, sicherheitshalber ausgespart blieben.

2. Praktische Argumente

Da aber dieses grundsätzliche Bestreiten der Legitimation des Sturzes Saddam Husseins nur begrenzt tauglich war, versuchten es die Kriegsgegner dann zunehmend mit weniger prizipiellen als praktischen Argumenten. Favorit war hier zunächst die Warnung vor einem Flächenbrand im Nahen Osten. Nachdem der einzige Flächenbrand in der Region aber die ersten zaghaften Schritte in Richtung Demokratisierung waren, die Metzeleien sich aber bis heute wie gehabt im wesentlichen auf den Irak konzentrieren, wird auch dieses Thema inzwischen weiträumig umgangen.

Ähnlich verhielt es sich mit den Warnungen vor den humanitären Folgen eines Einmarschs im Irak. Da war von hunderttausenden von Toten und riesigen Flüchtlingslagern die Rede, doch seit bei den ersten Wahlen im Irak klar wurde, daß die fürs Elend bereits fest verplanten Millionen von Menschen lieber zur Wahl gehen statt hysterische Voraussagen der westlichen Intelligenzija zu erfüllen, hält Wolfgang Thierse lieber den Mund und äußerst sich nur noch zu Dingen, von denen er mehr oder besser gesagt nicht ganz so wenig versteht.

Nur einen kurzen Frühling erlebten die Warnungen vor den militärischen Risiken eines Einmarschs im Irak. Es gab zwar das volle Programm aus der Kassandraschachtel, also alles von den fanatisch kämpfenden "Republikanischen Garden" über den Häuserkampf im uneinnehmbaren Baghdad und dem Beschuß durch versteckte irakische Raketen bis hin zum Einsatz chemischer Waffen (da vergaß auch der Kriegsgegner in der Hitze des Gefechts gerne mal, daß Saddam die der eigenen Theorie zur Folge ja angeblich gar nicht hatte).

Nachdem sich all das aber beharrlich weigerte einzutreten, wurde verzweifelt zu jedem noch so lächerlichen Strohhalm gegriffen, um die Niederlage der Amerikaner wenigstens herbeizuschreiben, wenn sie schon nicht in der Realität eintreten mochte. Ob ein zerstörter US-Tanklastzug im Hinterland oder ein abgeschossener Kampfhubschrauber - das Ende schien immer nur eine Frage der Zeit zu sein, bis in den nächsten Nachrichten herauskam, daß die Koalitionsstreitkräfte wieder eine weitere Stadt fast kampflos eingenommen hatten.

Die Verlautbarungen der Presse unterschieden sich wenige Tage nach Kriegsbeginn oft nur noch in der für westliche Ohren etwas verdaulicheren Ausdrucksweise von denen des irakischen Informationsministers. Höhepunkt war der legendäre Sandsturm, der zwar in seiner eigenen Staubwolke wirkungslos verpuffte, aber der schreibenden Zunft zeitweise Anlaß genug war, eine dräuende Katastrophe zu wittern. Nachdem die GIs kurz darauf in Baghdad Saddam-Statuen stürzten statt sich vor den Toren der Stadt wie erhofft schlachten zu lassen, nahm das Gros der "Experten" eine Auszeit und von weiteren militärischen Analysen vorerst lieber Abstand.

3. Militante Argumente

Wer jetzt aber dachte, die permanente Widerlegung der eigenen Position durch die Realität würde die Kriegsgegner wenigstens mal zum vorübergehenden Reflektieren bewegen können, wurde bitter enttäuscht. Nicht einmal die Demontage ganzer Ideengebäude durch die eigenen Leute scheint auch nur im mindesten demotivierend auf sie zu wirken. Im Gegenteil, es scheint einfach nur ihre Phantasie anzuregen. Irgendwann muß dann ein besonders einfallsreicher Kopf unter ihnen auf die skurrilste Begründung gekommen sein, die man sich für die Ablehnung eines Krieges denken kann: Daß sie die Kriegführung gegen andere Länder behindert.

In der persischen Variante dieser Argumentation sind alle ganz furchtbar betroffen von diesem ungehobelten Achmadinedschad, und ja, er ist tatsächlich doch ein klitzekleines bißchen gefährlich, wenn auch natürlich bei weitem nicht so sehr wie George W. Bush oder Ehud Olmert. Bei dieser Spielart der Kriegsgegnerschaft würden sich alle tief in ihrem kleinen Pazifistenherz ja ganz doll wünschen, daß die Amis dem Achmadinedschad den Stecker rausziehen, aber der blöde Dumbya hat schuld, daß seine dazu benötigten Truppen gerade im Irak festsitzen.

Wer jetzt einwendet, daß das irgendwie nicht so richtig glaubwürdig rüberkommt, wenn ein Diktatorenversteher, Kriegsgegner und Amerikahasser plötzlich den Warmonger in Sachen Iran gibt, wird staunen ob der Phantasie der Friedensbewegung des Jahres 2006. Denn da gab es tatsächlich noch die nordkoreanische Variante, nach der vom Kassenbrillenmodel Kim Jong Il die wahre Gefahr ausgeht. Und auch da hat's wieder jemand verbockt, den wir alle gut kennen. Es handelt sich natürlich um - Überraschung! - den doofen Dabbelju, der schließlich nicht auf die Appeasementjunkies hätte hören müssen.

Dabei würden unsere Friedensfreunde doch alle so gerne den amerikanischen GIs zujubeln, wenn nur deren Oberbefehlshaber nicht gerade George W. Bush hieße. Hätte damals hingegen der Bildungsbeauftragte der Nation, John F. Kerry, die Wahl gewonnen, dann, ja dann, hätte das alles seine Richtigkeit, und die Kriegsgegner stünden wie ein Mann, in der Hand ihre Flagge (weißer Totenkopf auf weißem Grund), hinter der siegreichen Truppe, ganz gleich ob ihr demokratischer Hoffnungsträger zuerst am Persischen Golf oder im Chinesischen Meer losgeschlägt. Hauptsache Action!

4. Zynische Argumente

Wer nun glaubt, damit wäre der Höhepunkt des argumentativen Irrsinns der Kriegsgegner erreicht, irrt allerdings gewaltig. Denn als nach den US-Kongreßwahlen im November die altbewährten Gladiatoren der Realpolitik nach langer Zeit mal wieder aufs Feld humpelten, erwarteten sie in der Arena ob ihrer Mitverantwortung für die Katastrophen, die zum 11. September geführt hatten, keine ohrenbetäubenden Buhrufe und schrillen Pfeifkonzerte, sondern stehende Ovationen. Dieselben Zuschauer, denen hinsichtlich der US-Außenpolitik früher nur Begriffe wie "Mossadegh" oder "Pinochet" einfielen, lauschten plötzlich ehrfurchtsvoll den weisen Worten des Gladiatorentrainers Kissinger.

Vermutlich aufgrund der Kompatibilität mit konservativen wie sozialdemokratischen Erfahrungen, die man durch jahrzehntelanges Kungeln mit Ostblockregimen gewonnen hatte, erinnert man sich plötzlich wieder, daß ein Diktator gerade aufgrund seiner Skrupellosigkeit immerhin innenpolitische Stabilität garantiert und dabei für das Volk manchmal sogar die eine oder andere Autobahn abfällt. In der Zeit nach dem Öffnen der ersten Massengräber im Irak wurde derartiger Unsinn zwar mit einem ziemlich gequälten Gesichtsausdruck und nur hinter vorgehaltener Hand vorgebracht, aber alleine schon um Bush zu ärgern ist diese längst widerlegte Denkweise hierzulande plötzlich wieder hip.

Jetzt gilt es als Zeichen verantwortungsvoller Außenpolitik, den schlimmsten Tyrannen wie gewohnt in die südlichen Körperöffnungen zu kriechen, und Staaten wie Syrien oder der Iran, die vor kurzem noch als terrorfördernde Unruheherde mit hohem Igittfaktor galten, werden plötzlich als regionale Stabilitätsfaktoren hofiert, deren legitime Interessen man ja auch berücksichtigen muß. Wahnsinn dieser Qualitätsstufe ist kaum noch zu toppen, so daß es schwer ist sich vorzustellen, was nach der Realpolitik kommt. Nur wann das der Fall sein wird, läßt sich schon jetzt genau vorhersagen, und zwar genau an dem Tag, wo die US-Regierung sie tatsächlich umsetzt. Versprochen.

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Genauer gesagt, sie sind nicht direkt hier. Aber wir wissen wo sie sind. Und soviel sei verraten: Sie sind tatsächlich nicht im Irak. Naja, sagen wir nicht nur. Denn die "weapons of modern democracy" sind in den Köpfen all jener, die an die Demokratie glauben und sich dessen nicht schämen. Es sind schlicht und einfach die Gedanken und Ideen der Menschen, die ihre Freiheit wie die aller Menschen lieben.

Die Ideen jener, die die freie Welt, wie wir sie heute als selbstverständlich hinnehmen, über die Jahrhunderte, oft unter großen Opfern, erst geschaffen haben - als Politiker und Soldaten, als Wissenschaftler und Künstler, als Arbeiter und Unternehmer. Die Ideen jener, die sie gegen die immer wiederkehrenden Bedrohungen aus der Vergangenheit verteidigen. Und die Ideen jener, die sie auch den Menschen zugänglich machen wollen, denen sie heute noch verwehrt wird.

Es ist die Idee der Menschenrechte, die das Individuum über all jene Kollektive setzt, die es im Namen von Ideologie, Nation oder Religion für die eigenen Zwecke zu mißbrauchen suchen.

Es ist die Idee der Gleichberechtigung, die durch die Emanzipation benachteiligter Gruppen sich deren Potential zunutze macht statt sie in selbstzerstörerischer Weise zu bekämpfen, einer Moral und eines Rechts, das sich allein für Taten und nicht für Hautfarbe oder Geschlecht, Herkunft, Schichtenzugehörigkeit, Überzeugung oder Lebensstil interessiert.

Es ist die Idee der Meinungsfreiheit und des offenen, redlichen Wettstreits der Ideen, der unseren Gesellschaften eine permanente Selbstkorrektur durch evolutionäre Lernprozesse erlaubt.

Es ist die Idee des Liberalismus, die zu einem in der gesamten Menschheitsgeschichte nie gekannten Schutz des Einzelnen vor staatlicher Willkür geführt hat und die nicht nur alle Bürger, sondern ihr Gemeinwesen gleichermaßen mit an die Gesetze der Verfassung bindet.

Es ist die Idee des Kapitalismus, die die Menschen überall da, wo sie sich durchsetzen kann, vom einst unabwendbar scheinenden Schicksal des existentiellen Mangels befreit, einer Wirtschaftsordnung, die ständig als System und fremde Macht denunziert wird, obgleich sie spontan entsteht, wo immer das Recht jedes Menschen auf persönliches Eigentum - Bedingung jeder Selbstentfaltung - garantiert wird, und die ein solches Maß an Reichtum geschaffen hat, dass unsere Gesellschaft auch den Menschen, die ohne eigenes Verschulden zu ausreichend produktiver Arbeit nicht fähig sind, die nötigen Mittel zu einem Leben in Würde bereitstellen kann.

Es ist die Idee des Fortschritts, die uns das Weltall erobern, tödliche Krankheiten besiegen und die militärische Überlegenheit auf den Schlachtfeldern bewahren läßt, der aber nicht nur ein technologischer und wissenschaftlicher, sondern nicht selten auch einer der Kunst und der Lebensführung, besonders aber der Humanität, der Moral und des Friedens war und ist.

Und es ist die Idee der Demokratie selbst, die den Bürgern durch die freie Wahl ihrer Regierungen nicht nur die ganz großen menschengemachten Katastrophen erspart, sondern die auch all diesen anderen Ideen erst den Rahmen bietet, damit sie sich frei und ohne Einsatz von Gewalt entfalten können.

Die moderne Demokratie hat also viele Gründe voller Stolz auf sich und ihre Bürger zu blicken - und doch ist sie aus dem Wissen und dem Gefühl des Mißtrauens geboren, dass alle Menschen und deshalb auch alle vom Menschen geschaffenen Institutionen zutiefst fehlerhaft sind. Diese Seite und alle, die hier schreiben, wollen einen kleinen Beitrag dazu leisten, damit die Waffen der modernen Demokratie in Zukunft etwas leichter zu finden sind.

Michael Holmes und Paul13

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